Berlins Nadelöhr verschwindet
Mammutprojekt Havellandautobahn - Die Zeppelin-Baumaschinen müssen umfangreiche Massen bewegen, wenn der alte Fahrbahnbelag aus Asphalt und Beton rückgebaut und aufbereitet wird.
Bei der ersten Schippe Erde hatte er 2018 noch selbst zugepackt: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Danach nahmen die Baumaschinen für den Ausbau und die Modernisierung zwischen dem Autobahndreieck Pankow und der Anschlussstelle Neuruppin Fahrt auf, um Massenbewegungen in Höhe von fünf Millionen Kubikmetern Erde zu realisieren.
Damit soll ein Nadelöhr im Berliner Autobahnring verschwinden, das in der Vergangenheit zu Staus und Verkehrschaos geführt hatte. Zum Auftrag des Bundes gehört nicht nur die Erweiterung der A10 auf sechs Spuren und die Generalsanierung der vierspurigen A24 inklusive der damit ve-bundenen Straßenbauarbeiten, sondern es geht auch darum, 38 Brückenbauwerke, davon 28 Ersatzneubauten und zehn Neubauten, bis zu sieben Meter hohe Lärmschutzwände und -wälle auf einer Länge von rund 30 Kilometern, Verkehrsleiteinrichtungen und neun Anschlussstellen sowie vier WC- und Parkanlagen zu errichten.
Gebaut wird bei laufendem Verkehr entlang einer stark frequentierten Strecke – das ist jedoch nur eine der Herausforderungen. Die andere: die Vielzahl an Baumaßnahmen, verteilt auf einer Länge von rund 65 Kilometern, fristgerecht abzuwickeln. Dabei gilt es, die Logistik und vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um den Bauablauf gestalten zu können.
10 21 CAT Zeppelin Bild 3Alle Dozer arbeiten mit der Trimble-Steuerung Earthworks. Bild: CAT Zeppelin Die bisher vierstreifige A10 zwischen den Dreiecken Havelland und Pankow wird auf rund 30 Kilometern sechsstreifig ausgebaut. Der vierstreifige rund 30 Kilometer lange Abschnitt der A24 zwischen der Anschlussstelle Neuruppin und Kremmen wird komplett erneuert, wobei die Seitenstreifen von 2,50 Meter auf 3,75 Meter verbreitert werden, um Teilabschnitte im Bedarfsfall je nach Verkehrsaufkommen temporär für den Verkehr freizugeben. Sämtliche geforderten Planungs- und Bauleistungen müssen die Arge-Partner, die österreichische Habau-Gruppe und deren Hoch- und Tiefbau-Gesellschaft sowie Wayss & Freytag Ingenieurbau, eine deutsche Tochtergesellschaft der niederländischen Royal BAM Gruppe, als Nachunternehmer der Projektgesellschaft Havellandautobahn erbringen.
Für den Baukonzern aus Holland ist die Beteiligung an privat finanzierten Autobahnprojekten in Deutschland kein Neuland: Schon am Ausbau der A8 zwischen Augsburg und München von 2007 bis 2010 und am Aus-bau der A9 zwischen Triptis und Schleiz von 2011 bis 2014 wirkte er mit. Für die Habau-Gruppe ist die A10/A24 laut Unternehmenschef Hubert Wetsching das bislang größte Projekt in der Firmengeschichte.
Neben der Planung und dem Ausbau erfolgt die anteilige Finanzierung des Projekts sowie die Erhaltung und der Betrieb der Projektstrecke durch das Konsortium 30 Jahre lang als sogenanntes Verfügbarkeitsmodell in öffentlich-privater Partnerschaft – es ist für Brandenburg das erste Projekt in dieser Vertragsform. Die Projektgesellschaft übernimmt etwa den Winter-dienst für die Projektstrecke sowie zusätzlich auf einem rund zehn Kilometer langen Streckenabschnitt des westlichen Berliner Rings von der Anschlussstelle Falkensee bis zum Autobahndreieck Havelland. Dazu wird die Projektgesellschaft eine moderne Autobahnmeisterei im Gewerbegebiet Vehlefanz an der Anschlussstelle Oberkrämer errichten. Die Autobahn selbst verbleibt im Eigentum des Staates.
Die Projektkosten für die A10 und A24 belaufen sich auf 1,4 Milliarden Euro. Die reinen Baukosten für den Ausbau schlagen mit rund 640 Millionen Euro zu Buche. Der Auftragnehmer erhält während der Projektdauer von 30 Jahren ein Verfügbarkeitsentgelt, dessen Höhe sich grundsätzlich nach der Qualität der erbrachten Leistung und der Verfügbarkeit der Autobahn für die Verkehrsteilnehmer richtet, also abhängig davon, wie oft die Fahrbahnen für Bau- oder Reparaturarbeiten gesperrt werden müssen. Bei früheren Autobahn-Projekten mit privaten Partnern, wie der A1 Mobil zwischen Hamburg und Bremen, hatte der Bund noch auf eine Vergütung über Maut-Einnahmen gesetzt.
„Das Ende der Bauzeit ist fixiert auf den 31. Dezember 2022. Bis dahin ist die Bauausführung fertigzustellen. Nachgelagert sind landschaftspflegerische Ausgleichsmaßnahmen wie Begrünung“, erklärt Dr. Thomas Stütze, der technische Geschäftsführer der Projektgesellschaft und Vertreter des Auftragnehmers. Jedes Jahr soll eine Richtungsfahrbahn der jeweils im Bau befindlichen Abschnitte fertig werden. „Das müssen wir einhalten, um auch die jahreszeitlich bedingten Witterungsverhältnisse berücksichtigen zu können. Aktuell sind wir im Zeitplan“, ergänzt er.
Nach den vorausgegangenen Fäll- und Rodungsarbeiten konnten die Arbeiten in den ersten sechs von insgesamt zehn Bauabschnitten mit je einer Länge von insgesamt circa 37 Kilometern beginnen. Los ging es mit den Bauabschnitten eins, drei und fünf an der A24 sowie den Abschnitten 6, 8 und 10 an der A10. „Wie ein Schachbrettmuster arbeiten wir uns Abschnitt für Abschnitt vor“, so Andreas Jancar, Leiter der Bauausführung seitens der Arge A10/A24. Im Anschluss geht es an die Zwischenbereiche auf je sechs Kilometern Länge – sogenannte Beruhigungsstrecken, auf denen die Arbeiten erst in zwei Jahren starten sollen. Auf ihnen können dann die Verkehrsteilnehmer auch mal zum Überholen ansetzen und müssen nicht in Kolonne Stoßstange an Stoßstange durch die Baustelle kriechen.
Mindestens zwei Fahrspuren in jede Richtung sollen den Verkehrsteilnehmern im Zuge der 4+0-Verkehrsführung zur Verfügung stehen, um Verkehrsbeeinträchtigungen während der Baumaßnahme möglichst in Grenzen zu halten.